Haus Neufert, Gelmeroda

Ernst Neufert, 1929

In der kleinen thüringischen Gemeinde Gelmeroda errichtet Ernst Neufert, der viele Jahre im privaten Bauatelier Gropius gearbeitet und dort u.a. die Arbeiten am Bauhausgebäude Dessau geleitet hat, für sich und seine Familie 1929 ein kompaktes Holzhaus. An diesem Versuchshaus kommt eine von Neufert entwickelte Holzskelettbauweise mit vorfabrizierten Elementen zur Ausführung.

Foto: Noshe, 2014
Gelmeroda, Haus Neufert, Architektur: Ernst Neufert

Text

1926 folgt Ernst Neufert dem Ruf Otto Bartnings und kehrt nach Abschluss der Arbeiten am Bauhausgebäude Dessau nach Weimar zurück. Damit endet die langjährige Zusammenarbeit mit Gropius und Neufert übernimmt am 1. April 1926 die Leitung der Bauabteilung an der neu gegründeten Staatlichen Bauhochschule Weimar. Drei Jahre später errichtet er in der kleinen, einige Kilometer südlich von Weimar gelegenen Gemeinde Gelmeroda ein Wohnhaus für sich und seine Familie. Dieses private Wohn- und Atelierhaus entwirft er in einer neu entwickelten Holzskelettbauweise, für die ihm amerikanische Holzrahmenkonstruktionen als Vorbilder dienen. Sein Versuchshaus basiert auf einem Meter-Maßsystem, aus dem sich die Raumgrößen und das Konstruktionsraster ableiten. Dank der vorgefertigten Hölzer und der einfachen Verbindungen steht „das ganze Holzgerippe zum eigenen Erstaunen der Zimmerer nach nur zweieinhalb Tagen richtfestreif da“, schreibt Neufert 1932. Nach nur sechs Wochen Bauzeit kann das Haus bezogen werden.

Auf einer Grundfläche von 10 x 10 Meter erheben sich zwei Wohngeschosse mit den gemeinschaftlichen Räumen im Erdgeschoss und vier privaten Schlafzimmern für Eltern, Großeltern und Kinder im Obergeschoss. Das Wohnzimmer mit Bücherei nimmt im Erdgeschoss die Hälfte der Grundfläche ein und wird großzügig von drei Seiten belichtet. Im hinteren Bereich liegen das Arbeitszimmer und die Küche. Im ausgebauten massiven Sockelgeschoss finden Vorrats-, Lager- und Diensträume Platz.

Das kompakte Holzhaus steht auf einem etwa 9.000 Quadratmeter großen Grundstück mit einem großen Obst- und Gemüsegarten für die Selbstversorgung sowie einer Sportanlage mit Laufbahn. In einem Lageplan, den Neufert 1936 auch in seiner „Bauentwurfslehre“ veröffentlichte, ist neben dem Wohnhaus ein großer L-förmiger Bau angedeutet, der – wie Siebenbrodt schreibt – „für das private Bauatelier bestimmt (war), das Neufert nach der Schließung der Bauhochschule betrieb.“ Denn schon ein Jahr nach Fertigstellung des Wohnhauses in Gelmeroda ereilte die Bauhochschule ein ähnliches Schicksal wie nur wenige Jahre zuvor das Bauhaus. Otto Bartning sah sich gezwungen, Neuferts Vertrag zu kündigen – wie auch die Verträge seiner Kollegen und ehemaligen Bauhäusler Wilhelm Wagenfeld, Otto Dorfner, Otto Lindig und Erich Dieckmann. Vorübergehend nutzt Neufert einen Teil seines Wohnhauses als Bauatelier, bevor er noch im selben Jahr die Leitung der Bauabteilung an der privaten Itten-Schule in Berlin übernimmt.

Nach einer aufwändigen Restaurierung wird das Haus heute durch die Neufert-Stiftung und die Bauhaus Universität Weimar genutzt.

(NO 2018)

  1. Literatur:
  2. Siebenbrodt, Michael: Zwischen Tradition und Moderne – Haus Neufert in Gelmeroda 1929, in: Nicolaisen, Dörte für das Bauhaus-Archiv Berlin (1996): Das andere Bauhaus. Otto Bartning und die Staatliche Bauhochschule Weimar 1926–1930, Berlin, S. 75-80.
  3. Merkel, Patricia (2017): Das Wirken Ernst Neuferts in den Jahren von 1920 bis 1940, Wiesbaden.
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